Zur Person

Lukas Langhoff assistierte ab 1992 bei Frank Castorf, Johann Kresnik und Christoph Schlingensief an der Volksbühne in Berlin und war von 1995 bis 1998 künstlerischer Leiter am Prater, Nebenspielstätte der Volksbühne. Seit 1996 führt er Regie, u.a. am Schauspiel Leipzig, am Jungen Theater Göttingen, am Bremer Theater, am Schauspiel Hannover, Hans Otto Theater Potsdam und am Maxim Gorki Theater Berlin. Von 2001 bis 2008 führte er als Hausregisseur am Schauspiel Magdeburg Regie u.a. bei der Improsoap Voll auf Quote. 2006 entstand am Schauspiel Magdeburg das Rechercheprojekt Kinder zur Sonne.

2007 folgte das Projekt Klassentreffen – Die 2. Generation am Hebbel am Ufer im Rahmen des Festivals Beyond Belonging sowie 2009/2010 am Ballhaus Naunynstraße Ferienlager – Die 3. Generation. Pauschalreise – Die 1. Generation von Hakan Savaş Mican in der Inszenierung von Lukas Langhoff wurde bei den Privattheatertagen 2012 in Hamburg mit dem Monica-Bleibtreu-Preis „für das beste zeitgenössische Drama“ ausgezeichnet. Mit seiner Inszenierung „Ein Volksfeind am“ Theater Bonn wurde Langhoff im Jahr 2012 zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Von Schokoküssen und Ohr-Mohrrüben

Wozu braucht eine A-Cappella-Comedy-Band einen Regisseur? Diese Frage haben wir uns intensiv gestellt, als uns Lukas Langhoff während seiner Arbeit am Magdeburger Theater empfohlen wurde. Die Zuschauer kamen doch auch ohne Regie gerne zu uns. Wir singen ganz gut, haben lustige Texte und können uns seltsam bewegen. Doch schon nach der ersten Überarbeitungs-Probe mit Lukas Langhoff über unser damals ungeschliffenes Programm merkten wir, dass eine gute Regie den Unterschied machen kann zwischen 2D und 3D. Zwischen Schwarzweiß und Farbe. Es ist nicht dasselbe, ob man nur einen lustigen Text über einen depressiven Weihnachtsmann singt, oder ob man ihn singt, während Lukas Langhoff darüber noch die pantomimische Geschichte von Tod und Auferstehung einer Fliege legt. Plötzlich hat die nette Idee des Liedes eine berührende Tiefe. Für uns Darsteller fühlt sich das manchmal wie ein Wunder an. Wenn der Saal völlig ausflippt, weil Herbert Grönemeyer sich in seiner Gier einen ganzen Schokokuss in die ungeschützte Hosentasche steckt, damit er nichts abgeben muss. Da werden scheinbar beiläufig große Themen wie Neid und Gier verhandelt. Das kann Lukas aus dem Handgelenk.

Wenn die Hütte vor Lachen bebt, weil sich der Liebhaber in einer tränenreichen Szene eine Mohrrübe ins Ohr steckt und wie ein Kopf-Häcksler vorher heimlich zerkaute Möhrenstücke ausspuckt als Trost für die verzweifelte Geliebte. Die Leute schreien vor Lachen. Lukas ist ein Magier der Ideen. Andererseits ordnet er uns aber auch, sortiert unsere Talente und bremst uns, wenn wir unauthentisch werden. Er kann uns und das Publikum zu Tränen rühren und uns manchmal auch zeigen, wie laut Stille sein kann! Heutzutage buchen wir Lukas Langhoff immer schon ein Jahr im vorraus, weil wir uns schon darauf freuen, dass er unsere Show auf ein höheres Level heben wird und auch manch unausgegorene Idee von uns zur Reife führen kann. Manchmal ist er besonders gut, wenn wir selbst zu wenig Fantasie für die Vorlage hatten. Dann ist er ein kreativer Alchimist, der aus Blei Gold macht. Weil er aber auch den Mut hat, zu sagen, wenn etwas nicht gut genug ist. Dann kommt es gnadenlos in den Müll. Wir profitieren enorm von Lukas Arbeit und haben – schönste Nebensache der Welt – verdammt viel Spaß. Und das seit mittlerweile über 10 Premieren mit ihm. Danke Lukas Langhoff.

„… Bei der Probenarbeit hat dem erfahrenen Bühnentiger, auch „Deutschlands lustigster Seelsoger“ genannt, erstmals Lukas Langhoff als Regisseur geholfen, für von Rosenberg-Lipinsky „ein echter Glücksgriff“. Der Berliner Theatermacher ist seit Jahren als Regisseur der A-capella-Comedy-Gruppe „LaLeLu“ und seit kurzem auch als jener von Musik-Comedian Jan Christof Scheibe engagiert. Und für Rosenberg-Lipinsky, der für die Probenarbeit mit Langhoff öfter als sonst per Bahn in die Hauptstadt reiste, steht inzwischen fest: „Angst ist kein Zustand. Es ist eine Methode.“

Interview

Lukas Langhoff, Wenn man sich die Liste Ihrer Arbeiten anschaut, fällt die enorme Vielfalt auf, die Wechsel zwischen U und E, zwischen Populär- und Hochkultur. Wie wählen Sie Ihre Projekte eigentlich aus?

Langhoff: (lacht) Die Projekte suchen auch mich aus. Durch mein Interesse an vielen verschiedenen Dingen kommen die verschiedensten Leute auf mich zu. Sei es LaLeLu oder Steffen Möller, Herbert Fritsch oder das Theater Magdeburg, der Asylbewerber aus Mosambik oder Handballstar Stefan Kretzschmer.

Gibt es irgendetwas, was Sie sich nicht zutrauen?

Eigentlich nicht! Ich konzipiere auch Zahnarztkongresse oder Punkrockshows. Die Bühne hat bestimmte Gesetze und Regeln. Jeder, der mit Bühne und Licht arbeiten will, braucht also mich.

Punkrockshow klingt interessant. Was war das?

Captain Silver and the Silver Crew haben ihre neue Platte präsentiert. Der Sänger hat ein amputiertes Bein seit seiner Kindheit. Wir haben ihn auf der Bühne mit einer Kettensäge eine Beinattrappe absägen lassen. Mit Blutkissen!

Wie waren die Reaktionen?

Schock. Das spritzte in die erste Reihe, das möchten Sie nicht gesehen haben. Das ist sicherlich das stärkste Beispiel für Grenzenlosigkeit. Theater ist überall! Und deswegen muss ich auch überall sein (lacht).

Kann man sagen, dass Sie das Genre Theatersoap erfunden haben?

Nein, das hat Réné Pollesch ja schon viel früher in Frankfurt unter Stromberg gemacht. Deshalb habe ich ihn ja damals an den Prater nach Berlin geholt. Der Rest ist Geschichte.

Aber Ihre Theatersoap in Magdeburg hatte weitreichende Folgen?

Genau. Thomas Hermanns war zu Gast und ließ sich stark inspirieren für die erste Impro-Soap im Fernsehen, die legendäre Schillerstraße. Die Live-Regieanweisungen, die Hermanns im Fernsehen gab, hatte ich in Magdeburg reingesprochen.

Sind Sie jetzt sauer auf Hermanns?

Ich bin stolz! Ideen sind nicht geschützt in Deutschland. Und das geht auch nicht anders. Mach es selber oder guck zu. Aber sei auf keinen Fall beleidigt.

Mit ihren Doku-Stücken Klassentreffen und Ferienlager sind Sie sogar nach New York eingeladen worden. Wie war das?

Mit einem Theater nach New York zu fliegen ist natürlich was Besonderes weil gerade New York für uns Ostler ein Sehnsuchtsort war. Es war eine inhaltliche Entscheidung, uns einzuladen, weil wir uns mit etwas auseinandersetzen, womit auch die New Yorker sich auseinandersetzen, nämlich mit der Integration von Einwanderern. Das Auswärtige Amt hatte uns ja eingeladen.

Die Stücke sind ja nicht auf englisch?

Das wurde klassisch übertitelt.

Wie waren die Reaktionen der New Yorker?

Nicht anders als in Deutschland: Gelacht, geweint, euphorisch. Es gab eine interessante inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Publikum.

Wie sehen denn die New Yorker die Integration?

Die sind natürlich viel weiter und viel toleranter als wir. Sie sind näher an der Realität.

Welches Projekt über die Jahre war Ihr Liebstes?

Meine Tochter! Nein. Das ist schwer zu sagen. Natürlich Ferienlager, das hat mich am weitesten rumgebracht, aber natürlich auch der Volksfeind, der mich zum Theatertreffen gebracht hat. Aber auch die Projekte in Magdeburg, wo wir ein Haus besetzt oder mit Asylbewerern eine Modenschau vor einem Thor Steiner Laden gemacht haben.

Eine Modenschau – womit?

Mit den Naziklamotten von Thor Steiner!

Wie haben die Mitarbeiter vom Thor Steiner Laden reagiert?

Sie haben den Laden zugeschlossen. Am Ende hat mich die Polizei verhaftet, weil das Ganze nicht angemeldet war. Hätten wir ja auch nie angemeldet bekommen! (lacht)

In letzter Zeit haben Sie viel im Bereich Comedy und Kabarett gemacht. Was fasziniert Sie daran?

Natürlich die professionelle Arbeitsweise.

Wie meinen Sie das?

Da ist Energie und Ethik, das ist eine unbedingte Orientierung am Publikum, ein ehrliches Interesse am Zuschauer. Und an der disziplinierten Arbeit. Es ist klar, das Produkt muss gut werden. Denn sonst kommen die Leute nicht. Und ich werde auch nicht wieder engagiert. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das motiviert, das bringt den Erfolg, das bringt auch Qualität, das bedingt sich alles gegenseitig. Es ist einfach eine sehr große Offenheit da, eine Bereitschaft zu lernen, das macht die Arbeit mit Kabarettisten und Comedians für mich sehr befriedigend. In diese Richtung möchte ich noch mehr machen.

… hat ja doch funktioniert !

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